Wie entstand das Feuer?

6. Mai 1937: Das Luftschiff Hindenburg befindet sich im Anflug auf den Landeplatz in Lakehurst, New Jersey. Ein stürmisches Gewitter hatte die Landung um mehrere Stunden verzögert. Etwa vier Minuten nach dem Herunterlassen der Halteleinen bricht am Heck ein Feuer aus, das Luftschiff explodiert und sinkt wie ein riesiger Feuerball zu Boden. Einige Passagiere und Besatzungsmitglieder können sich durch einen Sprung aus den Panoramafenstern retten, sechsunddreißig Menschen finden den Tod.

Der ‚Untergang‘ der Hindenburg / G. Pasquerella, Wikimedia Commons

Wie das Feuer entstand, wurde nie endgültig geklärt. Wahrscheinlich hatte ein Leck in den inneren Gasballons zur Bildung eines hochexplosiven Wasserstoff-Luft-Gemischs geführt, das sich über eine elektrostatische Entladung („Elmsfeuer“) entzündete und die mit einem Harzlack angestrichene Außenhülle blitzartig in Brand setzte.

So plausibel dieser Erklärungsversuch klingt, eine Frage blieb dabei offen: Was hat das Leck verursacht? Die Experten waren ratlos: „Eigentlich hätte die Katastrophe nicht passieren dürfen.“

Wochenschau der British Pathé

Spekulationen über das Unglück

Kein Wunder, dass die Spekulationen über die Unglücksursachen bis heute anhalten. So zum Beispiel die 1975 von einem Hollywoodstudio aufgegriffene Theorie eines Sabotageaktes: Demnach habe sich ein Nazigegner auf der Überfahrt Zugang zum Schiffsinnern verschafft, um an einem der Gasbehälter eine Zeitbombe zu befestigen. Die Sprengladung sei aber wegen der verspäteten Landung explodiert, als sich Passagiere und Crew noch an Bord befanden.

Zwar hatte die Zeppelin-Reederei mehrere Drohbriefe erhalten, in denen die Einstellung der Zeppelinfahrten verlangt wurde, irgendwelche Beweise für ein Bombenattentat ließen sich aber nicht finden. Aufgrund der unbestimmten Fahrtzeiten und Fahrtdauer des Luftschiffs wäre es zudem äußerst schwierig gewesen, den Zeitpunkt der Zündung richtig zu wählen. Ganz auszuschließen ist die Sabotage-Theorie allerdings nicht.

Auch der Brief einer Hellseherin aus Milwaukee im April1937 an die Deutsche Botschaft nährte die Spekulationen: „Der Zeppelin wird während der Fahrt in ein anderes Land von einer Zeitbombe zerstört werden …“ Nachforschungen des alarmierten FBI verliefen im Sande.

Die brennende Hindenburg / San Diego Air & Space Museum Archives

Zusammentreffen unglücklicher Umstände?

Die Kommission, die das Unglück untersuchte, zog auch einen Beschuss bei der Landung in Betracht. Schon zuvor waren in der Nähe von Lakehurst kleinere Prallluftschiffe von Farmern – folgenlos – beschossen worden. Sie waren über die „Blimps“ am Himmel verärgert, weil die ihr Vieh wild machten. Doch selbst mit einer großkalibrigen Elefantenbüchse wäre es nicht von außen gelungen, in den inneren Gashüllen ein Leck zu verursachen. Da es auch keine Spuren oder Zeugen für einen Beschuss gab, wurde auch diese mögliche Erklärung im Untersuchungsbericht verworfen.

Für die Untersuchungskommission war das Reißen eines der geflochtenen Drahtseile, die den Kontakt der Gaszellen mit dem Rahmen des Luftschiffs verhinderten, denkbar. Das spitze Ende eines gerissenen Drahts könnte dann das Leck verursacht haben. Nur: bei den Drahtseilen handelte es sich um hochfestes Material, ebenso wie bei den mit Latexgummi beschichteten Baumwollhüllen der Gaszellen. Dass die Stahldrähte durch Rost brüchig geworden waren, so die in einer TV-Dokumentation von 2019 vertretenen These, ist für mich wenig plausibel. Die Hindenburg hatte bis zum Unglück gerade einmal siebzehn Hin- und Rückfahrten hinter sich. Und da soll es im Innern des Zeppelins schon Rostschäden gegeben haben?

Als Ursache für das Unglück nahm die Untersuchungskommission „das Zusammentreffen einer Reihe unglücklicher Umstände als einen Fall höherer Gewalt“ an. Und weiter: „Beweise für Sabotage konnten nicht erbracht werden.“ Die gewaltsame Zerstörung der Hindenburg sei aber auch nicht auszuschließen. Und so wurde munter spekuliert. Waren für die Katastrophe baumwollfressende Mikroben, die Flugzeugindustrie oder gar Aliens verantwortlich? An absurden Erklärungen selbsternannter Experten bestand kein Mangel.

Ein Selbstmord-Attentat?

Auch eine Luger-Pistole, die in den Trümmern des Zeppelins gefunden wurde, nährte die Gerüchte – denn aus der Pistole war ein Schuss abgefeuert worden. Hatte die Kugel eine der Gaszellen durchschlagen? Diese Spur wurde aber nicht weiterverfolgt: Die Untersuchungskommission konnte sich keinen Anschlag vorstellen, bei dem der Attentäter erst ein Loch in die Gaszelle schießen, dann das Wasserstoff-Luft-Gemisch entzünden und damit sich selbst opfern würde. Nach dem verhängnisvollen Germanwings-Flug 9525 am 24. März 2015, bei dem der Pilot das Flugzeug in selbstmörderischer Absicht gegen eine Felswand steuerte, wissen wir es heute besser …

Aber die Suizid-Theorie hat die gleiche Schwachstelle wie die Drahtseil-Theorie. Ob ein Pistolenschuss oder das spitze Ende eines Drahts – das verursachte Leck wäre kaum groß genug gewesen, die für die Entzündung des Gasgemischs erforderliche Menge an Wasserstoff freizusetzen.

Brennendes Wrack der Hindenburg / Wikimedia Commons

Das Rätsel, was die Katastrophe verursacht hat, wird vermutlich niemals gelöst werden können. Vielleicht sollte man es dabei belassen. Gehört doch dieses Rätsel genauso zum Hindenburg-Mythos wie die legendären Fahrten nach Nord- und Südamerika in diesem „Luxushotel der Lüfte“.

Mit dem Hindenburg-Desaster von 1937 und dem Beginn des Zweiten Weltkriegs waren die Träume vom weltumspannenden Luftschiffverkehr geplatzt.

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Abbildung oben: Das Feuer schießt, über den Axialsteg kommend, aus dem Bug des Luftschiffs / Murray Becker, Wikimedia